Backpacking in der Mongolei?

Dieses Thema im Forum "Asien Reiseforum" wurde erstellt von Stubenhocker, 22. Dezember 2018.

  1. Stubenhocker

    Stubenhocker Reisefuchs

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    Beiträge:
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    Hallo zusammen,
    mir schwirren gerade mehrere Reiseideen im Kopf rum. Eine Idee wäre mit Rucksack durch die Mongolei. Ich frage mich aber, ob das überhaupt sinnvoll ist. Könnte man mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Ort zu Ort reisen und von dort Tagestouren in die Umgebung unternehmen? Klappt das in der Mongolei oder wäre sinnvoller, gleich einen Reiseveranstalter zu buchen (ggf. einen vor Ort)?
    Und hättet ihr einen Tipp für einen Veranstalter vor Ort, den ihr oder Freude schon mal genutzt habt?
     
  2. Tom Yam

    Tom Yam Reisefuchsforum Legende

    Registriert seit:
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    Beiträge:
    733
    Natürlich kannst Du mit einem Rucksack die Mongolei bereisen. Du spielst aber sicher weniger auf ein geeignetes Gepäckstück an, sondern vielmehr auf den klassischen Backpacker-Reisestil auf eigene Faust mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das sehe ich sehr skeptisch. Denn es gibt nur ein brauchbares öffentliches Verkehrsmittel und das ist die einzige Linie der Transmongolischen Eisenbahn, die das Land von der Nordgrenze zu Russland in südöstlicher Richtung nach China (und weiter nach Peking) durchquert. Nennenswerten Straßenverkehr gibt es außerhalb der Städte kaum - mangels Straßen. 2016 soll es erst um die 800 km asphaltierter Überlandstraßen gegeben haben - in dem gesamten riesigen Land, das gut fünf mal so groß wie Deutschland ist. Und das war eine Information aus der Mongolei selbst.

    Wo die mehreren Tausend km Asphalt sein sollen, die im Wikipedia-Artikel zur Mongolei erwähnt werden, weiß ich nicht. Mir scheint fast, da wurden die innerstädtischen Straßen mitgezählt. Tatsächlich wirkt die Haupstadt Ulan Bator (amtliche Schreibweise: Ulaan Baatar) ziemlich modern mit ihren Hochhäusern, Ampeln und Asphaltstraßen. Sobald man aber diese 1,5-Millionenstadt verlässt, verkrümeln sich die befestigten Straßen im wahrsten Sinne des Wortes im grasbewachsenen Steppennirwana. Da wo auf Landkarten ein vermeintlicher Highway eingezeichnet ist, sieht man in der Realität nur Spurrillen im Steppengras. Oder eine Stampflehmpiste, die je nach Witterung eine staubige oder schlammige Konsistenz annehmen kann. Öffentlichen Busverkehr kann ich mir da ehrlich gesagt nicht vorstellen (im Widerspruch zum Wikipedia-Artikel).

    Vielleicht sprechen ja auch amtliche Zahlen für sich: Das Land ist über 1,5 Millionen qkm groß, hat aber gerade mal 3 Millionen Einwohner. Und davon lebt mehr als die Hälfte in der Hauptstadt. Der Rest verteilt sich auf eine Hand voll Kleinstädte (die ich gesehen habe, würde ich eher als öde Käffer bezeichnen) und auf die auch heute noch nomadisierende Landbevölkerung. Was die schwache Infrastruktur erklärt. Die bezieht sich nicht nur auf fehlende Straßen, ebenso gibt es außerhalb der Siedlungen keinerlei Handy-Netz. Sollte man in der mongolischen Pampa ein Problem haben und Hilfe brauchen, kann man nur hoffen, bald einer Nomadensippe zu begegnen. Der Clan-Chef hat meistens ein Iridium-Satellitentelefon zur Verfügung für Notfälle. Wenn man Pech hat, begegnet man über viele Stunden keinem Menschen. Eher noch ein paar Wildpferden.

    Soweit die schlechten Nachrichten. Zu den guten: Die mongolische Landschaft ist wunderschön, sogar abwechslungsreich und noch sehr unberührt wirkend. Und man kann sie mit einheimischer Unterstützung besuchen und genießen. Dafür gibt es Agenturen, die ein robustes Allrad-Fahrzeug mit Fahrer und Guide zur Verfügung stellen. In der Regel besteht so eine Mini-Expedition aus zwei Fahrzeugen. Einem für die Gäste und einem zweiten, das als Werkzeug- und Küchenwagen dient. Und als Backup für alle Fälle. Ein Koch oder eine Köchin ist auch mit von der Partie, weil es in der Pampa keine Restaurants oder ähnliches gibt. Das ist zwar alles andere als Backpacker-Style, aber es lohnt sich.

    Ich habe die Mongolei im August 2016 zehn Tage lang bereist und zwar im Gesamtpaket einer Transsib-Tour zu sechst. Nach der "echten" Transsib von Moskau aus ins sibirische Irkutsk (und einem zweitägigen Aufenthalt daselbst mit Ausflug an den Baikalsee) haben wir dort die Transmongolische Eisenbahn bestiegen, die in Ulan Ude von der Transsib abzweigt in Richtung Mongolei. Zwei Tage später kamen wir in Ulan Bator an, wo wir von einer einheimischen Agentur betreut wurden. Man kann natürlich auch nach Ulan Bator fliegen und sich dort an einen Tourveranstalter wenden. Besser ist es natürlich, schon im Vorfeld der Reise Kontakt aufzunehmen und eine Tour klar zu machen. Hier die Webseite der Agentur, die unsere kleine Mongolei-Expedition durchgeführt hat:

    http://www.mongoliaoutback.com/

    Ich hoffe, die Mitforisten sehen das nicht als Spam an, sondern als Hilfestellung. Es wurde ja auch danach gefragt. Ich war jedenfalls sehr zufrieden mit der gebotenen Leistung. Sicher ist es auch möglich, eine Mongolei-Tour als Selbstfahrer zu machen; man sollte aber ein routinierter Offroad-Fahrer sein, der sich auch tiefere Furten durch reißende Steppenflüsse zutraut, ohne das Fahrzeug zu versenken (es gibt nicht nur kaum Straßen, sondern auch kaum Brücken). Wenn das passiert, kommt kein ADAC zu Hilfe und einheimische Helfer mit potenter Zugmaschine sind selten und haben ggf. eine stundenlange Anfahrt zu bewältigen. Falls man überhaupt ein Satellitentelefon für Notrufe hat. Wir haben nur ein einziges Mal Selbstfahrer aus Europa getroffen - eine Motorradgang aus Bayern, die mit schweren Enduros unterwegs war.

    Übrigens hat einer der wenigen guten deutschen Reiseblogger, der Backpacking-Spezialist Florian Blümm, seinen Mongolei-Artikel mit der sehr passenden Überschrift "Roadtrip ohne Roads" versehen. Und hat die Tour natürlich auch bei einer lokalen Agentur gebucht ( https://www.flocutus.de/mongolische-steppentour-roadtrip-ohne-roads/ ).

    Gruß
    Michael / Tom Yam
     
    Zuletzt bearbeitet: 23. Dezember 2018
    kywo und masi1157 gefällt das.
  3. masi1157

    masi1157 Reisefuchsforum Legende

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    5.962
    Michael,

    das ist der beste Beitrag, den ich in diesem Forum bisher gelesen habe. Vielen Dank!


    Gruß, Matthias
     
  4. Stubenhocker

    Stubenhocker Reisefuchs

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    Vielen Dank für die ausführliche Antwort!!!
    Ich wollte aber gar nicht so extrem individual unterwegs sein. Da hätte ich mich in der Ausgangslage präziser ausdrücken müssen. Ich hatte angedacht, von Ort zu Ort zu reisen und von dort Tages- oder Mehrtagesausflüge in Gruppen in die Umgebung zu unternehmen. In Ulan Bator soll dies möglich sein. Aber im Rest des Landes? In anderen Gegenden gibt es Unterkünfte (oft Hostels), die so etwas vor Ort neben der Übernachtung anbieten. Aber so weit ich mich eingelesen habe, ist dies (abgesehen von Ulan Bator) in der Mongolei wohl nicht der Fall.
    Ich kann häufig in meinem Umfeld niemanden für meine Reiseziele begeistern. Die meisten lokalen Reiseveranstalter für die Mongolei bieten ihre Touren aber erst ab 2 Personen oder mehr an (soweit ich das bis jetzt recherchiert habe). Es werden auch Privattouren angeboten. Dann aber recht teuer.
     
  5. Tom Yam

    Tom Yam Reisefuchsforum Legende

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    Hallo,

    das Hauptproblem mit dem "von Ort zu Ort" reisen in der Mongolei hatte ich ja schon angedeutet. Zu den kaum vorhandenen Straßen kommt noch hinzu, dass es außer der Metropole Ulan Bator keine nennenswerten Orte gibt, die auch nur die Bezeichnung "Provinzstadt" verdienen würden. Es handelt sich eher um das, was Geografen "Haufendorf" nennen - unförmige Zusammenklumpungen von Hütten und Jurten, den klassischen Rundzelten sesshaft gewordener Nomaden. Das mongolische Nomadentum ist zudem eine saisonale Erscheinung der Sommermonate. In den langen und eiskalten Wintern (für die nächsten Tage nach Weihnachten sind bis zu 42 Grad minus vorhergesagt) beziehen fast alle ein Winterquartier um die festen Siedlungen herum. Die wachsen dann um ein vielfaches ihrer "Sommergröße" an und werden tatsächlich zu "richtigen" Kleinstädten. Ansonsten ist dort der Hund begraben, die Infrastruktur beschränkt sich auf ein paar Supermärkte und Tankstellen.

    Da der Mongolei-Tourismus noch ziemlich in den Kinderschuhen steckt, sind entsprechende Einrichtungen (Hotels, Guesthouses, Restaurants, Touranbieter) mit wenigen Ausnahmen auf Ulan Bator beschränkt. Und das wiederum heißt, dass lohnenswerte Touren, auf denen man etwas vom Land sieht, immer mehrtägige Touren sind. Es sind zwar auch ein paar Tagesausflüge im Angebot, die aber straßenbedingt nur minimal über die Vororte von Ulan Bator hinausreichen. Übernachtet wird unterwegs zumeist in Gästejurten, die von Nomadenclans zur Verfügung gestellt werden (und die ihnen auch ein willkomenes Zusatzeinkommen bescheren).

    "Right in the middle of nowhere" wird vereinzelt auch in Zelten übernachtet. Das Begleitfahrzeug (der erwähnte Gepäck-, Werkstatt- und Küchenwagen) hat dafür auch eine Campingausrüstung an Bord. Es ist aber ein sehr rudimentäres Camping in der Wildnis - ohne sanitäre Einrichtungen wie Dusche oder Toilette. Gesicht feucht abwischen und Stuhlgang in einem nur von spärlicher Vegetation abgeschirmten Versteck muss da schon mal reichen. Dieser ungewohnt naturnahen "Challenge" muss man sich zum Glück nur selten stellen - bei unseren zehn Mongolei-Reisetagen kam das nur zweimal vor.

    Die Nomadencamps sind da schon komfortabler. Neben den Gästejurten gibt es - zumeist nach Geschlechtern getrennte - Gemeinschaftswaschräume und Toilettenanlagen. Es kann zwar mal passieren, dass wegen Strommangels (man versorgt sich in der Pampa überwiegend mit batteriegepufferter Solarenergie) auch kein Wasser fließt, aber das kommt auch auf den Campingplätzen anderer Länder vor. Zu den von Nomaden angebotenen Gästejurten kommen langsam auch immer mehr reine Touristen-Jurtencamps auf. Da gehört dann auch schon mal ein Restaurant zur Ausstattung.

    Den besten Ersteindruck der Mongolei bekommt man definitiv auf Mehrtagestouren von Ulan Bator aus. Unbedingt dabei sein sollte das wunderschöne Orkhon-Tal mit Wasserfällen und Felscanyons, aber auch die Überbleibsel der alten Dschingis Khan-Hauptstadt Karakorum (heute: Charchorin) mit den Ruinen des Klosters Erdene Dsuu sind ein "Muss". Die genannten Plätze liegen allesamt in einem 350 km-Radius um Ulan Bator herum und diese Entfernungen sind nach mongolischen Verhältnissen unvermeidbare Mehrtagesstrecken.

    Vielleicht komme ich über die Feiertage noch dazu, eine Bilderstrecke zum Thema Mongolei zusammen zu stellen.

    Weihnachtliche Grüße
    Michael / Tom Yam
     
  6. Stubenhocker

    Stubenhocker Reisefuchs

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    4. Februar 2014
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    Nochmals Danke! Sehr ausführlich! Hat mir sehr geholfen!
     
  7. Sino

    Sino Erfahrener Reisefuchs

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    344
    Wie wärs alternativ mit Kirgistan? Da gibt's auch Jurten, mehr Berge, mehr Straßen, aber keinen Buddhismus.
     
  8. Stubenhocker

    Stubenhocker Reisefuchs

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    Beiträge:
    108
    Hatte mir auch zu Kirgisien einen Reiseführer ausgeliehen. Ich habe vor, beide Länder zu besuchen. Für 2019 wären beide Länder aber selbst mir wohl etwas zu viel. Zu Kirgisien löchere ich euch dann in einem extra Post ;-)
     

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